Niko Kovac passt in das Profil des FC Bayern. Er ist dieser Typ, den man alleine aufgrund seines Auftretens entweder grenzenlos feiert, oder abnormal hasst. Dieses zweischneidige Schwert kennt man beim Rekordmeister. Der neue Trainer verkörpert jenes Münchener Dilemma aber wohl so gut, wie es selten jemand tat – außer Sandro Wagner. Häufig fragt man sich, ob der Mann an der Seitenlinie jetzt Werbung für die neue Herbst-Kollektion von Marc O´Polo betreibt, oder ob er tatsächlich den selben Job wie Jürgen Klopp verrichtet. Es ist eben diese Attitüde eines Sylt-Urlaubers, die bei Niko Kovac zu Ungereimtheiten führen: Ein harter und akribischer Arbeiter. Starke Führungshand für das Star-Ensemble vom Tegernsee. Professionalität, komprimiert auf 176cm kroatischer Manneskraft. Und dann trägt der um den Hals gebundene Strick-Pullover, besucht wohl mindestens drei mal die Woche den Po-Kurs im Fitness First seines Vertrauens und wohnt mit seiner Familie im idyllischen Salzburg. Ist das jetzt ein Junge von der Straße oder der, der sich beschwert, weil im Maybach die Klimaanlage ausfällt?
Viele Faktoren spielen zusammen, die dazu führen, dass man noch nicht so ganz weiß, was man vom Ex-Bayern-Spieler halten soll. Zum Beispiel auch die Tatsache, dass er nun zusammen mit Hasan „Brazzo“ Salihamidzic das prägende Gesicht des größten deutschen Aushängeschilds im Fußball darstellt. Haben Uli und Kalle jetzt alles richtig gemacht? Dem FC Bayern einen (relativ) frischen neuen Anstrich verpasst, indem man zwei Ehemaligen die Chance auf Erfolg bei den großen Jungs gab? Oder befinden wir uns bei der Firma, die einfach jeden nimmt, der als 15-Jähriger schonmal sein Zwei-Tage-Praktikum bei ihnen absolviert hat. Zugegeben: Wären Lahm und Schweini in denselben Positionen, würden wir uns dieser Frage sehr wahrscheinlich nicht gegenüberstehen, aber ich meine…Brazzo?! Und dann holt man Niko Kovac als Trainer? Wenn Ribéry jetzt noch in der Jugend-Abteilung der Bayern-Damen anfängt und Breno als Sicherheitsbeauftragter vorgestellt würde, ergäbe sich langsam ein Muster.
Spannend ist in diesem Jahr, dass wir eben alle wissen, dass wir nichts wissen. Das zeigte auch der gestrige Supercup. Einen Kommentar zu Claudia Neumann sparen wir uns an dieser Stelle, einen dazu, dass der Upcoming-Weltfußballer Ante Rebic gefühlt in jeder dritten Sequenz eingeblendet wurde, auch. Interessanter war das Fußballspiel zwischen dem deutschen Serienmeister und dem DFB-Pokalsieger jedoch leider nicht wirklich. Die Bayern zeigten über die weitesten Strecken des ersten Pflichtspiels der Saison beeindruckende Kreativlosigkeit und wenig Tempo im Spiel. Irgendwann konnte man die Hütter-Truppe schon fast verstehen, als sie anfing zu treten. Irgendwie musste eine Mannschaft ja für Unterhaltung sorgen. Dumm nur, dass Lewandowski jeden einzelnen Tritt gegen ihn wohl als Aufforderung zu einem Tor verstand. Gnadenlose Effizienz führte am Ende zu einem gnadenlosen 0:5 aus der Sicht des Pokalsiegers. Im Mai noch die Übermacht besiegt und Berlin als Sieger verlassen, kam man drei Monate später im eigenen Stadion unter die Räder. Die Frage, die sich nun stellt: Woran hat et jelegen? War es der Faktor Rebic, der im Vergleich zum Pokalfinale 64 Minuten auf der Bank schmorte? War es die heimische Atmosphäre, die der SGE nicht behagte. Oder liegt das Geheimnis am Ende doch tatsächlich bei Coach Kovac, der immerhin beide Gewinner-Teams der letzten beiden deutschen Fußball-Finals betreute?
Man kann dem neuen Bayern-Trainer noch nicht so recht in die Karten schauen. Bei drei Spielen im Rahmen des International Champions Cups holte man einen Sieg gegen Tuchels Paris, sah sich aber gegen Juventus und Pep im Hintertreffen. Mit Goretzka und Gnabry holte man zwei vielversprechende Jungspunde, für die man nur hoffen kann, dass auch ein Platz abseits der Bank für sie frei gemacht wird. In Form von Arturo Vidal verließ schon ein routinierter Krieger den Rekordmeister. Fraglich, ob mit Boateng ein anderer bleibt. Den richtigen Umbruch, welchen man schon seit drei Jahren mal so langsam erwartet, hat der FC Bayern aber noch ein weiteres Mal aufgeschoben. Trotzdem ist vieles neu, denn wir wissen nur, dass wir noch nichts genaues über den Ausgang der nächsten Saison wissen.
Wohin Niko Kovac die Bayern in der nächsten Saison führen wird, ist nur die Spitze des Eisbergs, wenn es darum geht, dass wir uns fragen, was nächstes Jahr in der Bundesliga passiert. Was macht Tedesco als Vize-Meister in Jahr Zwei auf Schalke mit seinem von Fußball-Könnern und namenhaften Neuzugängen gespickten Kader? Wohin führen Diallo, Delaney und Wolf die Schwarz-Gelben und gelingt es Favre und Witsel an die Dortmunder Klasse von 2013 heranzukommen? Wie verhält sich ein 31-jähriger Trainer, der weiß, dass er im nächsten Jahr zu Deutschlands kontroversestem Fußball-Verein wechselt, mit seiner TSG aus Hoffenheim aber das erste Mal die Dreifach-Belastung aus Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League erwartet. Und der Interims-Trainer aus Leipzig – führt der die roten Bullen zurück ins Titelrennen oder sich selbst in den nächsten Hagel aus Kritik? Was erreichen die Supercup-Verprügelten Pokalsieger aus Frankfurt unter Adi Hütter, wohin geht der Weg für Korkuts Stuttgarter um Weltmeister Pavard – und was macht Bruno Labbadia eigentlich in der Bundesliga?
Fakt ist: Wir wissen, dass wir vor der kommenden Saison kaum etwas wissen. Das macht die Spielzeit 2018/19 im Vorhinein so spannend und verspricht eine, vielleicht mal nicht ganz so einseitige Runde wie in den letzten Jahren zu werden.