Am 5. Spieltag der Saison 2013/14 besuchte der VfB Stuttgart unter Trainer Thomas Schneider die alte Dame im Olympiastadion.
Hertha BSC: Kraft – Pekarik, Lustenberger, Brooks, van den Bergh – Cigerci, Hosogai – Skjelbred, Ronny, Ben Hatira – Ramos
VfB Stuttgart: Ulreich – Sakai, Schwaab, Rüdiger, Boka – Gentner, Kvist – Leitner, Maxim, Werner – Ibisevic
Die Schwaben starteten in einem bundesligatypischen 4-4-2/4-2-3-1-System, Maxim pendelte zwischen zweiter Spitze und offensivem Mittelfeld. Bei Hertha wurde die Viererkette aus Pekarik, Lustenberger, Langkamp und van den Bergh gebildet. Hosogai spielte kurz vor den Innenverteidigern als tieferer Sechser, während Cigerci in höheren Räumen pendelte. Die offensive Dreierreihe hinter Ramos bestand aus Ben-Hatira, Ronny und Skjelbred. Aus der Doppelsechs heraus rückte Cigerci oft nach vorne auf und stellte 4-1-4-1-Staffelungen her. Währenddessen holte sich Hosogai die Bälle meistens direkt bei den Innenverteidigern ab, lud die Gäste durch zu nahe Positionierung an diesen aber oftmals zum Pressing ein.
Da Stuttgart in einem hohen Mittelfeldpressing begann, fächerten Herthas Innenverteidiger meist ca. 30 Meter vor dem eigenen Tor auf, wo sie dann von Stuttgarts Pressingspitzen in Empfang genommen wurden. In Herthas Aufbauspiel gab es durch die personelle Besetzung der Innenverteidigung eine gewisse Asymmetrie: Da Lustenberger durch seine normale Zurückhaltung und die typischen vielen Querpässe den Ball oft zu Brooks, also von seiner Seite weg spielte, wurde häufiger über links der Weg nach vorne gesucht. Der Amerikaner war dafür prädestiniert und leitete durch seine Vorstöße und sein damals schon weiträumiges Passspiel viele Angriffe ein. Passend dazu war das Passspiel von van den Bergh neben ihm auch linear nach vorne ausgerichtet, während Pekarik auf der anderen Seite den Ball eher in die Mitte zu bringen versuchte.
Wenn nun also Brooks bzw. van den Bergh vorstießen, rückte Ben Hatira oft in den Halbraum ein, während Ramos aus seinem Sturmzentrum oft auf die linke Seite wich. Ronny positionierte sich in Verbindungsräumen für Verlagerungen, oft mit einem gewissen Rechtsfokus, während Skjelbred die Bewegungen von Adrian Ramos balancierte und ins Sturmzentrum aufrückte. Zwar stellte er Stuttgart so vor ein paar Extra-Aufgaben, befand sich ansonsten so weit vorne aber auf verlorenem Posten. Auf der Außenbahn hingegen war der Norweger überraschenderweise sehr gut: Seine Dribblings äußerst erfolgsstabil, ebenso einige gute Kombinationen mit seiner Beteiligung. War der Ball aber wie beschrieben auf links, öffnete sein Aufrücken nach vorne auch Räume für Cigerci, der sich so ziemlich überall hinbewegte, solange er sich vor Hosogai befand. Er versuchte Verbindungen zu geben, stellte wie erwähnt oft auch 4-1-4-1-Staffellungen her, konnte aber nur selten wirklich eingebunden werden. Wenn er doch mal den Ball bekam, schien es wieder offensichtlich, dass er wahrscheinlich der technisch beste Herthaner der letzten Jahre war.
Nach einigen Minuten gab es auch häufiger Angriffe über rechts, oft mit einem längeren Flachpass von Lustenberger eingeleitet, später dann sehr oft gute, diagonale Aktionen von Pekarik. Ronny wich meistens weit auf die dortige Seite aus und wurde durch Ablagen bedient. Auf beiden Außenbahnen boten sich viele Spieler mit Sprints hinter die Viererkette an, viele waren sogar sehr gut getimet. Dass man dadurch aber eben nur zur Grundlinie durchbrach und nicht vor das gegnerische Tor, stellte das einzige Manko dar.
Jos Luhukays Team hatte nach 15 Minuten 70% Ballbesitz und beherrschte den VfB voll und ganz, obwohl sich dieser unter Thomas Schneider zu einer Ballbesitzmannschaft entwickeln wollten. Zudem konnte man konstant Flügeldurchbrüche erzeugen, insgesamt eine sehr starke Vorstellung der Hertha im eigenen Stadion. Die einzigen Kritikpunkte könnten sein, dass man den Anschluss in die Mitte zu häufig verlor und zu leicht zu isolieren war. Außerdem soll es manchmal auch gut im Fußball sein, ein Tor zu schießen…. Grundsätzlich hatte man aber eine sehr dominant wirkende Ruhe im Ballbesitzspiel und löste auch Drucksituationen in tieferen Zonen durch Pässe auf den ballfernen Innenverteidiger oder schnelle Kombinationen.
Die Kritik an der Luhukay-Zeit bezieht sich oft auf die zu krassen Manndeckungen. Mir nahm er damit gegen Ende seiner Amtszeit damit den Spaß am Hertha-Gucken. Gegen Stuttgart war von Manndeckungen aber noch nicht viel zu sehen, stattdessen reihte sich der Hauptstadt-Club in die schier endlose Schlange der Bundesligateams mit 4-4-2-Mittelfeldpressing ein, das ziemlich normal war, wobei durch Mannorientierungen auf die gegnerischen Sechser die eigene Mittelfeldreihe höher positioniert war und mehr Druck ausgeübt werden konnte, als es die anderen Standardmannschaften zeigten. Später gab es dann mehr und mehr Mannorientierungen, die Berlin aber noch ganz gut balancierte und kaum destabilisierte. Dabei wurden auch vermehrt 4-1-4-1-Staffelungen hergestellt, indem Ronny sich nun an den gegnerischen Sechsern orientierte, anstatt als zweiter Stürmer zu pressen.
Dennoch kam Stuttgart dadurch zu mehr Kontrolle, weil der Berliner Druck auf den Ball nicht mehr so hoch war. Außerdem sind solch mannorientierte Elemente, wenn sie so sehr fokussiert und vor allem auch auf den Außenbahnen eingesetzt werden, durch Überzahlbildung recht einfach zu bespielen.
Vor der Halbzeit wurde auch die Einbindung von Cigerci verbessert. Nach ein paar Standardsituationen kam aber Stuttgart zu den letzten Chancen vor der Pause. Sieht man sich diese bessere Phase der Stuttgarter an, so ist die Führung zumindest halbwegs verdient, dennoch kam Genters Kopfballtreffer aus dem Nichts. In der Folge wurde der Raum hinter Stuttgarts Abwehr noch aggressiver attackiert, ohne dass die Verbindungen dorthin verloren gingen. Mit einigen sehr ansehnlichen Spielzügen konnten die Hausherren viel Gefahr erzeugen, bis Luhukay Allagui, Schulz und Wagner für den überragenden Ben-Hatira, Skjelbred und Cigerci brachte, was die Verbindungen dann vollkommen abreißen ließ.