Jorge Sampaoli steht für modernen Angriffsfußball mit einem besonderen Faible für proaktives Verteidigen, deswegen habe ich mir sein Team bei der Weltmeisterschaft in Brasilien nochmal genauer angeschaut.
Erstes Gruppenspiel gegen Australien
Schnell war offensichtlich, wer in diesem Spiel dominant sein würde. Chile konnte die Kugel in den Anfangsminuten ruhig in der ersten Linie laufen lassen. Australien spielte gegen den Ball in
einer Mischung aus einem 4-2-3-1 und 4-4-2. Vor allem bei höherem Pressing rückten die Außenspieler Australiens auf und Bresciano ließ sich leicht zurückfallen, sodass ein 4-2-3-1 entstand. Den Rest der Zeit gab es ein 4-4-2 zu sehen, aus welchem Bresciano mit seinem Zurückfallen aber auch 4-4-1-1- oder 4-5-1-Staffelungen herstellen konnte. Insgesamt verteidigte Australien aber mit sehr wenig Intensität, weswegen Im Verschieben aus der ordentlichen Grundstaffelung, die für aktiveres Verteidigen besser geeignet gewesen wäre, heraus einige Löcher aufgingen. Hier sind in erster Linie die Zwischenlinienräume zu nennen, vor allem zwischen Mittelfeld und Abwehr. Auch der ballferne Halbraum ging durch inkonstantes Einrücken oder zu hohes Verbleiben des ballfernen Mittelfeldspielers immer wieder auf.
Chiles Strategie gegen diese Australische Mannschaft war ziemlich klar das Überladen des hohen Zwischenlinienraums. So positionierten sich die beiden Achter, Vidal und Aranguiz sehr weit vorne und pendelten genauso wie die drei Stürmer zwischen der letzten Linie und dem Zwischenlinienraum. Dabei besetzten Sanchez und Vargas oft die Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidiger, während sich Valdivia recht frei bewegen konnte. Gleichzeitig schoben die Außenverteidiger weit nach vorne, waren aber für die Innenverteidiger jederzeit anspielbar. Dennoch hatte Chile in den ersten Minuten Probleme, konstant Verbindungen nach vorne herzustellen, da sich Marcelo Diaz zusätzlich zu den aufrückenden Achtern noch oft zwischen die Innenverteidiger zurückfallen ließ. Dadurch klaffte dann ein großes Loch in den Verbindungsräumen, da die hinteren drei Akteure nur noch durch die Außenverteidiger mit den vorderen Spielern verbunden waren. Immerhin hatte Australien durch Diaz Abkippen aber überhaupt keinen Zugriff aus Chiles tiefen Spielaufbau.
An sich klingt ein solches Loch trotzdem erstmal nach einem ziemlich großen Problem, das war es aber aus drei Gründen doch nicht: Erstens war die Positionsfindung der Außenverteidiger so gut, dass sie immer angespielt werden und manchmal sogar mit einem Kontakt in den Zwischenlinienraum ablegen konnten. Das lag auch daran, dass die fünf Spieler Chiles an der letzten Linie die Australier größtenteils daran hinderten, herauszurücken. Sonst wäre es zu doppelten Unterzahlsituationen gegen Valdivia, Sanches und Co. gekommen – ziemlich klarer Selbstmord. Zweitens war Australiens Pressing viel zu passiv, um diese unvorteilhafte Staffelung nutzen zu können. Und drittens korrigierte Sampaoli die Schwächen auch einfach sehr schnell.
Bevor es dazu kam spielte Chile wie erwähnt vor allem über die ballnahen, hohen Außenverteidiger oder die Innenverteidiger schlugen lange Verlagerungen Richtung anderer
Außenstürmer/-verteidiger, teilweise sogar bewusst zu einem gedeckten Spieler, um auf den zweiten Ball zu pressen. Weil Australiens Außenspieler meistens hoch verblieben, hatte Chile hier sogar situativ Überzahl. Diese wurde aber wiederum eingeschränkt, da die pressenden Spieler zu flach gestaffelt waren, sodass ein Pass oft ausreichte, um das Gegenpressing auszuhebeln. Dabei entstand allerdings zu keiner Zeit eine ernsthafte Gefahr für Bravos Tor.
Nach einigen Minuten begannen die vorher noch zu hoch postierten zentralen Spieler damit, sich häufiger in tieferen Zonen blicken zu lassen. Zusätzlich dazu bot sich noch Isla tiefer an, was zu einem leichten Rechtsfokus führte, wenn man den Übergang ins letzte Drittel suchte. Von ihm aus wurde der Ball dann diagonal in die Mitte getragen, wie oben erwähnt war der ballferne Halbraum auch immer noch weit offen. Besonders stark waren aber erstmal die Unterstützungsbewegungen für Isla, der immer mindestens eine offene Anspielstation im Halbraum oder Mitte hatte. Er wurde dabei meistens vom ballnahen zentralen Mittelfeldspieler, Alexis Sanchez und manchmal noch Marcelo Diaz und/oder Jorge Valdivia unterstützt. Entweder einer verlagerte wieder auf die andere Seite, wodurch Australien dann zurückgedrückt wurde, oder Sanchez und Co. suchten den Weg zum Tor. Bei ersterer Variante tat sich auch Isla oft positiv hervor, indem er mit dem Ball am Fuß, evtl. nach einem Doppelpass, in den Halbraum dribbelte und verlagern konnte. Beim ersten Tor war es aber Alexis Sanchez, der nach einem Pass in den Fuß aufdrehen und den diagonalen Weg zum Tor von Matthew Ryan suchen konnte.
Während dieser Aktion konnte man aber auch gut ein weiteres Charakteristikum in Chiles Spiel erkennen: Die sehr vertikale Aurichtung der Achter, die in sehr vielen Situationen einen großen Drang zum gegnerischen Tor hin zeigten. Das kann zwar für einen Verlust von Verbindungen sorgen, bei richtiger Einbindung aber auch für große Räume sorgen. Australien machte in einigen Szenen den Fehler, die Bewegungen zu lange mannorientiert zu verfolgen, wodurch Spieler, die eigentlich den Angriff hätten stoppen können, aus der Gefahrenzone gezogen wurden.
Nach den schon erwähnten Umstellungen Sampaolis waren die Achter aber auch deutlich häufiger in Passreichweite der eigenen Innenverteidiger in den Halbräumen positioniert. Gleichzeitig gab es aber auch noch den Fokus auf den hohen Zwischenlinienraum zu beobachten, nur nicht mehr
ganz so extrem. Insgesamt entstand bei Chile so eine sehr angenehme Tororientiertheit. Die diagonalen Aktionen zum Tor hin und die Pässe der Aufbauspieler auf Valdivia und Co. sorgten für viele sehr schöne Szenen, auch wenn diese nicht immer zu Ende gespielt werden konnten. Um solche Kombinationen einzuleiten, bewegte sich Valdivia immer wieder nach hinten, um den Ball in oder kurz hinter Australiens Mittelfeldband zu empfangen. Dabei zeigte er seine tolle Positionsfindung, dank der er immer wieder mit einem Kontakt zum gegnerischen Tor aufdrehen konnte.
Wahrscheinlich sollte ich generell auch mal erwähnen, dass Chile einfach coole Einzelspieler hatte: Die sehr spielstarke Innenverteidigung mit Jara und Medel, den unglaublich guten Marcelo Diaz davor, kluge, kombinationsstarke Außenverteidiger und vorne fünf Spieler, die einfach unfassbar gut miteinander harmonieren und auch jeder für sich wunderbare Fußballer sind. Und inmitten der tollen Szenen mit flexiblen Bewegungen und schnellen Bewegungen stand es dann auch verdientermaßen 2:0.
In der Folge blieb es dabei, dass Chiles vordere Akteure bessere Verbindungen gaben und sich ihr Spiel etwas stabiler präsentierte. Dennoch hatte man im Gegenpressing weiterhin nur unzureichend Zugriff. In solchen Situationen arbeiteten die beiden Außenstürmer nur mit, wenn sie unmittelbar für den Ballverlust verantwortlich oder schon hinter dem Ball waren. Das kam allerdings nicht oft vor. Auch Valdivia, der meistens tiefer positioniert war, presste im Vergleich zu den Achtern nur selten, ließ sich aber immerhin deutlich schneller als Sanchez und Vargas fallen. Zwar konnte Chile im Umschaltmoment die Mitte meistens zumachen, Australien hatte aber auf den Flügeln Platz. Dort konnten sie aufrücken und schließlich Flanken schlagen. Bei diesen war der Strafraum zwar nicht gut besetzt, aber wegen der geringen Körpergröße der chilenischen Verteidiger wurde es trotzdem manchmal gefährlich. Auch der Anschlusstreffer von Cahill war ein Kopfball nach einer solchen Flanke.
In der Phase um den Treffer herum konnte Australien dann auch häufiger ruhig aufbauen, oder es zumindest versuchen. Im zentralen Mittelfeld stellte Chile nämlich Bresciano, Jedinak und Miligan mannorientiert zu. Gleichzeitig liefen vorne Valdivia, Sanches und Vargas die Abwehr der Australier an. Darauf fanden die Socceroos in den meisten Situationen keine Antwort und schlugen die Bälle deswegen lang nach vorne. Dort hatten sie aber keine große Präsenz, was die meisten Kämpfe um den zweiten Ball aussichtslos machte.
Potenzial für mehr war aber eigentlich Fall vorhanden. Hinter den sehr strikten chilenischen Manndeckungen gab es nämlich oft einen großen Zwischenlinienraum und hinter den hoch pressenden Außenstürmern waren oftmals die Außenverteidiger frei. Mit einem weiteren Aufrücken letzterer wäre dieser Effekt, also das Fehlen eines Gegenspielers, wohl noch verstärkt worden und wenn gleichzeitig noch die Außenspieler eingerückt wären, hätte man die Manndeckungen leicht bestrafen können. Ohne diese Bewegungen aber kam Australien kaum mal hinter den früh störenden Block Chiles und wenn doch sprang auch nichts wirklich Gefährliches dabei heraus.
In der Anfangsphase der zweiten Halbzeit wurden dann auch die Aufbausituationen immer seltener und weil das Pressing ebenfalls nicht intensiver wurden, gab es auch weniger Konter. Stattdessen zeigte sich bei Chile nun auch manchmal ein zweiten Spieler im Sechserraum, meist der für Vidal eingewechselte Gutierrez, der dort auch etwas länger verblieb und zusätzlich für Stabilität sorgte. Außerdem wurde die Ballzirkulation etwas horizontaler und ruhiger, was Balleroberungen für Australien noch erschwerte.
Mit zunehmender Spieldauer nahm aber Chiles Intensität gegen den Ball ab, was Australien doch noch mal zu einigen Konterchancen verhalf, die wieder Chiles Schwäche bei Flanken offenbarten, zu einem Treffer kam es aber nicht mehr. Außerdem ging einiges an Spielstärke verloren, als Sampaoli Jean Beausejour für Valdivia aufs Feld brachte. Beausejour besetzte fortan den linken Flügel, wo er deutlich konstanter Breite gab und mit dem Ball linearer agierte als Vargas, der nun in der Mitte spielte und etwas häufiger zurückfiel. In der Nachspielzeit setzte Beausejour mit seinem Treffer zum 3:1 den Schlussstrich unter eine starke Vorstellung von Chile.
Zweites Gruppenspiel gegen Spanien
Im Vergleich zum Auftaktspiel gab es bei Chile eine personelle Änderung: Francisco Silva ersetzte
Valdivia. Das hatte zur Folge, dass Chile auf eine Dreierkette umstellte, in der Jara halblinks, Medel in der Mitte und Silva halbrechts spielten. Auch weiter vorne änderten sich so natürlich die Rollen: Die Flügelverteidiger bewegten sich auch gegen den Ball höher und im
Mittelfeldzentrum war die Aufteilung nun flexibler, sodass Aranguiz häufiger mal mit Diaz eine Doppelsechs bildete, während Vidal zentral hinter die Stürmer aufrückte. Insgesamt ergaben sich so sehr viele unterschiedliche Staffelungen, von 5-1-4 bis 3-4-1-2 war wohl alles dabei.
Vor allem aber änderte sich Chiles strategische Ausrichtung. Spanien war zwar von der 5:1-Auftaktniederlage gegen die Niederlande gebeutelt, gehörte aber dennoch weiterhin zu den Topfavoriten. Zwar hatten sie im Vergleich zum ersten Spiel ein paar Mal umgestellt, ihre Ausrichtung war aber immer noch dieselbe. Deswegen rückte Sampaolis Team von dem im ersten Spiel vorgetragenen Anspruch auf Ballbesitzdominanz ab und definierte sich durch eine abwartendere und mehr auf das Spiel gegen den Ball fokussierte Spielweise.
Dabei startete Chile in einer Art 3-3-2-2-Formation und übertrug einige Ansätze aus dem ersten Spiel in das zweite. Grundsätzlich agierten die Innenverteidiger hinter den Flügelverteidigern und Diaz, davor dann Aranguiz und Vidal, die die meiste Zeit an ihren Gegenspielern Xabi Alonso und Busquets klebten, und ganz vorne das gewohnte Pärchen Sanchez und Vargas. Die Spanier setzten auf ein 4-2-3-1, wie erwähnt mit Busquets und Alonso auf der Doppelsechs hinter den umhertreibenden Iniesta und Silva.
Wenn man davon ausgeht, dass die beiden chilenischen Achter in Mannorientierungen gegen Busquets und Alonso gebunden waren und die Flügelverteidiger oft erstmal abwartend spielten, wären Sanchez und Vargas jetzt erstmal in einer vier gegen zwei Unterzahlsituation gewesen. Dieser Nachteil wurde durch die sehr passenden Pressingabläufe ausgeglichen: Zu Beginn des spanischen Ballbesitzes orientierte sich Sanchez meistens an Sergio Ramos und Vargas an Azpilicueta. Deswegen bekam meistens Javi Martinez den ersten Ball im Aufbauspiel, hatte von dort aus aber große Schwierigkeiten, das Spiel zu eröffnen. Der eigentlich freie Alba war als ballferner Außenverteidiger zu fast keiner Zeit eine gute Anspielstation, da Sanchez und Isla auf genau dieses Anspiel lauerten und es somit ein fast sicherer Ballverlust gewesen wäre. Die Sechser vor Martinez waren meistens manngedeckt und die vorderen vier standen meist zu weit weg und wurden, wenn sie sich tiefer anbieten wollten, kurzerhand von einem der Verteidiger verfolgt oder von Marcelo Diaz übernommen. Ein Dribbling war für Martinez ebenfalls keine Option, da ihm Busquets und Alonso den Raum blockierten und es schönere Dinge gibt, als in Arturo Vidal hineinzudribbeln. Wenn dann noch Vargas begann, Martinez von seiner breiten Grundposition aus diagonal anzulaufen, bleib dem Bayernspieler gerade in der Anfangsphase nur der lange Ball.
Na gut, kann man jetzt denken, da vorne stehen ja irgendwo noch Diego Costa, Andres Iniesta, David Silva und Pedro, irgendwie wird’s schon gefährlich. Weil Chile es aber geschafft hat, mit den beiden Stürmern fast die komplette gegnerische Viererkette zu beschäftigen, hatte Chile jetzt hinten eine fünf oder sechs zu vier Überzahl. Und auch Diego Costa tut sich mal schwer, wenn er ständig drei Gegenspieler hat.
Durch ihre Pressingstruktur hatte es Chile also geschafft, die wahrscheinlich stärkere linke Seite der Spanier komplett aus dem Spiel zu nehmen und den Favoriten zu langen Bällen zu zwingen. Bei diesen konnten sie dann ihre fehlende Größe durch die Überzahl leicht ausgleichen und auch mit mehr Spielern den Kampf um den zweiten Ball führen. In solchen Szenen pressten dann die Achter, oft noch durch Vargas unterstützt, sehr aggressiv nach hinten.
Mit zunehmender Spieldauer reagierten die Europäer, indem Xabi Alonso vermehrt zwischen die Innenverteidiger abkippte. Sein Gegenspieler ließ ihn dabei erstmal passieren, um die eigene Kompaktheit nicht zu schwächen, bevor er Alonso in Ballbesitz schnell anlief. Bewegte sich Xabi Alonso in Szenen um den eignene Strafraum herum so weit zurück, wurde er doch gedeckt. Dann war es meistens Vidal, der sich löste und den abkippenden Sechser konsequent verfolgte.
Nach einigen Minuten kamen die Spanier nun aber auch dazu, den durch Vargas Läufe frei werdenden rechten Außenverteidiger anzuspielen. Je nach Situation konnte dann bei Chile entweder der ballnahe zentrale Mittelfeldspieler oder der Flügelverteidiger herausrücken und wurde dabei vom rückwärtspressenden Vargas unterstützt. Spanien wurde also weiterhin stark unter Druck gesetzt und konnte der sehr hohen Intensität Chiles kaum etwas entgegensetzen, geschweige denn die Offensivreihe kontrolliert in Szene setzen.
Die einzigen gefährlichen Situationen entstanden deshalb dann, wenn doch irgendwie ein zweiter Ball gewonnen werden konnte. Sonst kam Chile an den Ball. Da die meisten Ballbesitzphasen aus unkontrollierten Situationen entstanden, waren viele Bälle der Chilenen auch schnell wieder irgendwie weg oder das Gegenpressen ging von vorne los. Auffällig war auch, dass die Verteidiger und Bravo Risiko schon früh umgingen und den Ball oft lang auf Alexis Sanchez oder einfach in die Walachei schlugen. Ebenso auffällig war, dass Chile sehr bewusst viele eher aussichtslose Konter abbrach, um eher noch mal kontrollierter anzugreifen. Auch hier wollten sie wohl unkontrollierte Ballverluste vermeiden und außerdem Regenerationsphasen vom sehr intensiven Pressing erzeugen.
Wenn der Ball doch mal länger gehalten werden konnte, war es für Sampaolis Team natürlich bei weitem nicht so einfach aufzurücken wie gegen Australien. Durch das Zentrum ging fast kein Angriff, eher versuchte man über die breiten Flügelverteidiger später in die Mitte einzudringen. Diese wurden dann vorher von den ebenfalls sehr weit außen positionierten Halbverteidiger angespielt und versuchten über eine Pärchenbildung mit den Stürmern aufzurücken und außen durchzubrechen. Manchmal konnten die Halbverteidiger aber auch direkt in den Zwischenlinienraum spielen oder die Flügelverteidiger waren in unbedrängteren Situationen und konnten in den Halbraum dribbeln. Vorbereitet wurden solche Spielzüge neben der Dreierkette von Diaz und Aranguiz, der den Ex-Hamburger oft im Sechserraum unterstützte. Vorne bewegte sich dafür Vidal zwischen und hinter den Stürmern, insgesamt gab es in den Angriffen also eine 3-4-1-2-artige Ausgangsstaffelung.
Gefährlich wurde Chile aus dem Ballbesitzspiel zwar nicht, da es dafür etwas zu sehr aus Sicherheit bedacht war, durch ihr sehr gutes Pressing hielten sie den Druck aber dennoch hoch. Schließlich war dann auch ein Ballverlust der Spanier gegen eben dieses Pressing der Ausgangspunkt des Führungstreffers.
Danach verbesserte sich aber das Ballbesitzspiel Spaniens. Zum einen bewegte sich Iniesta jetzt konstanter in etwas tieferen, zentralen Räumen, sodass man dort eine vier zu drei Überzahl hatte und zum anderen wurden tieferen Akteure auch ‚mutiger‘ bei eigenem Ballbesitz. Was heißt mutiger? Vor dem Führungstreffer gab es einige Szenen, in denen der lange Ball nicht unbedingt notwendig war, aber trotzdem gespielt wurde, weil der vermeintlich freie Akteur schnell gepresst worden wäre. Nun wurden auch diese Spieler konstanter gesucht und konnten mit ihrer individuellen Klasse und den guten Bewegungen um sie herum den Ball schnell weiterleiten. Auch Busquets wurde in diesem Kontext besser eingebunden – für jeden Gegner ein Albtraum. Spanien kam so besser nach vorne. Je länger die anderen am Ball waren, desto länger dauerte natürlich auch Chiles Pressing, weshalb die Intensität abnahm: Vorne konnte nicht mehr immer der lange Ball erzwungen werden und später im Rückwärtspressing war man entweder nicht mehr so intensiv oder ließ ein paar Läufe komplett sein. Wahrscheinlich war das Nachlassen der Intensität des Pressings auch ein Auslöser für das mutigere Auftreten der spanischen Hintermannschaft, immerhin hatten ihre Anspielstationen nun tatsächlich mehr Zeit am Ball.
Aber auch in höheren Zonen war Spanien in Ballbesitz nun deutlich sicherer, im zweiten und beim Übergang ins letzte Drittel gab es ein paar tolle One-Touch-Kombinationen zu sehen, bei denen ein Chilene nach dem anderen nur um Zehntel zu spät kam. Aber eben diese Sekundenbruchteile brachten Spanien besser ins Spiel. Gleichzeitig ließen die Chilenen auch im Pressing und Gegenpressing nach, weshalb Spanien nun merklich das bessere Team auf dem Platz war. Wirklich überragend war dabei in jeder Spielphase Busquets, den Vidal und Aranguiz kaum noch fassen konnten. Vidal war in dieser übrigens Zeit auch noch konstanter zwischen Vargas und Sanchez zu finden, während Aranguiz eher dahinter absicherte.
Trotz Spaniens Steigerung fiel in genau dieser Phase das 2:0 durch Aranguiz, der den Abpraller eines Freistoßes von Sanchez im Stile einer Tipp-Kick-Figur verwerten konnte. Interessant ist aber die Entstehung des Freistoßes. Zuerst wurde ein Angriff wieder abgebrochen und nach hinten gespielt, von wo aus Jara weit nach rechts außen auf den aufgerückten Isla verlagern konnte, was letztlich zu dem Freistoß führte.
Um dann nach der Halbzeitpause wieder mehr Kontrolle zu erlangen, nahm Sampaoli eine kleine Veränderung vor. Aranguiz spielte nun dauerhaft auf einer Höhe mit Diaz, während Vidal zentral hinter bzw. zwischen den beiden Stürmern spielte. Deswegen ergaben sich viele 2-1-2- oder 2-3-0-hafte Staffelungen, durch die Sampaoli wohl wieder mehr Präsenz im eigenen Sechserraum haben wollte, wobei er aber gleichzeitig auf die konstanten Mannorientierungen gegen die gegnerischen Sechser verzichten musste. Sanchez und Vargas mussten als Folge weitere Wege nach hinten gehen, um ihren jeweiligen Halbraum auch in der eigenen Hälfte besetzen zu können. In einigen Szenen blieb sogar Vidal vor den beiden, was zu 2-2-1-Anordnungen führte. Die ersten spanischen Aufbauansätze wurden auch nicht mehr immer angelaufen. Stattdessen versuchte die vordere Linie erstmal, den gegnerischen Sechserraum zu kontrollieren, um dann situativ zu pressen.
Del Bosque reagierte auf den Rückstand, indem er Koke für Xabi Alonso einwechselte, der für noch etwas mehr Präsenz in den Achterräumen sorgte. Weiterhin schaffte es Spanien, das Spiel mit intelligenten Ballstafetten zu kontrollieren, hatte aber genauso immer noch Probleme, sich gegen die Überzahl Chiles in der letzten Linie Chancen zu erspielen.
Da Chiles Hintermannschaft nach einigen Minuten auch noch mannorientierter gegen Spieler in den Halbräumen vorging, hatte man auch Probleme, den Block Chiles überhaupt zu überspielen. Nach der verletzungsbedingten Einwechslung Gutierrez‘ für Aranguiz presste Chile auch wieder aktiver, nun auch vermehrt in 1-4-Staffelungen mit Gutierrez und Vidal zwischen Sanchez und Vargas.
An sich ist ein solches Gebilde ziemlich riskant, immerhin kann man durch nur einen erfolgreichen Pass durch die erste Linie auf David Silva oder Iniesta in sehr unangenehme Situationen kommen. Doch das Risiko zahlte sich aus. Chile konnte wieder mehr Entlastungsangriffe fahren, bei denen sie auch eine riesige Chance hatten. Zwar geriet die chilenische Hintermannschaft immer mehr unter Druck, letztlich blieb es aber bei dem sensationellen 2:0 Endstand.
Zwischenfazit: Chile überzeugte nicht nur mit einer sehr guten grundsätzlichen Spielweise, sondern vor allem auch mit sehr guten Gegneranpassungen, die letztlich zwei Siege in den ersten beiden Spielen einbrachten.