Zum Auftakt des 7. Spieltags reiste die Hertha zum Spitzenspiel nach Dortmund und konnte auf ganzer Linie überzeugen. Maßgeblich dafür war eine systematische Anpassung der Berliner im Spiel gegen den Ball.
Die Geschichte der ersten 45 Minuten ist schnell erzählt: Dortmund hat den Ball, kommt aber nicht
am Mittelfeld der Hertha vorbei. Aber woran lag das? Normalerweise agiert die Hertha gegen den Ball nicht wirklich mannorientiert, sondern erzeugt vor allem durch die sehr enge und weit verschiebende Doppelsechs sowie aufrückende Flügelspieler Druck für den Gegner. In dieser Partie schien das in den ersten fünf Minuten ähnlich zu sein, doch das sollte sich schnell ändern. Schnell orientierten sich die zentralen Mittelfeldspieler der Hertha an ihren schwarzgelben Pendants. Diese Mannorientierungen sorgten dafür, dass die Formation des BVB gespiegelt wurde.
Dortmund setzte im Aufbau wieder einmal auf die asymmetrische Aufbaudreierkette, die durch das Einrücken Passlacks bei gleichzeitigem Aufrücken Schmelzers erzeugt wurde. Davor ließ sich meistens Sebastian Rode neben Weigl fallen und erzeugte so eine Doppelsechs. So kam es, dass Stocker, obwohl er als Zehner neben Ibisevic aufgeboten war, eine Linie hinter dem Bosnier agierte, da er die Aufgabe hatte, Julian Weigl zu decken. Auf einer Höhe mit ihm agierte Per Skjelbred, der seinerseits Rode verfolgen sollte. In den ersten Minuten sah es dann noch so aus, als würde hinter den beiden Niklas Stark als Absicherung im Raum agieren, jedoch verfolgte der Ex-Nürnberger die meiste Zeit Mario Götze, der den rechten Part eines Dreiersturms mit Aubameyang und Emre Mor übernahm. Durch die hohe und nach rechts verschobene Position Götzes reihte sich Niklas Stark oft als fünfter Verteidiger zwischen Langkamp und Plattenhardt ein oder besetzte den linken Halbraum.
Insgesamt lässt sich Herthas Defensivformation als 4-1-4-1/5-4-1-Formation beschreiben, während Dortmund im Aufbau vor allem 3-4-3-hafte Staffelungen zeigte. Anhand der Ziffern kann man jetzt auch schon ungefähr absehen, dass Dortmunds Aufbaudreierkette oft nur einen direkten Gegenspieler hatte. Vedad Ibisevic machte aber kaum mal Anstalten, die Dortmunder anzulaufen und beschränkte sich eher auf das Verschließen von einfachen Passwegen ins Zentrum. Auf diese Weise wurde Matthias Ginter zwar nur zu einer Durchlaufstation, die Halbverteidiger Dortmunds konnten aber immer wieder unbedrängt den Ball erhalten und andribbeln. Nun wurden sie aber oft von Herthas Flügelspielern angelaufen und so zu Entscheidungen gedrängt. Dabei hatten sie aber kaum mal eine wirklich sichere Anspielstation nach vorne, da Herthas Achter sich in solchen Situationen gut von ihrem Gegenspieler absetzen konnten und den Raum vertikal vor dem Halbverteidiger gut schließen konnten, während der Dortmunder Wingback im Deckungsschatten von Esswein bzw. Haraguchi verschwand. So musste Dortmund entweder neu aufbauen oder man spielte unter Bedrängnis irgendeinen wenig erfolgsversprechenden Pass.
In einigen Situationen war es aber auch so, dass die Dortmunder Halbverteidiger schon während der Zirkulation in der ersten Linie von den Berliner Flügelspielern angelaufen wurden und so überhaupt nicht aufdrehen konnten. Besonders Haraguchi tat sich hier mit einem guten Timing bei seinen Bewegungen hervor, weshalb Dortmund mehrmals auf die eigene linke Seite gelenkt wurde. Wie schon beschrieben hatten sie aber große Probleme konstant nach vorne zu gelangen, was wohl auch daran lag, dass sie kaum mal wirklich flexible Bewegungen zeigten, mit denen sie die Mannorientierungen der Hertha hätten manipulieren können.
Am ehesten kamen sie noch über die rechte Seite nach vorne, wo Pulisic sich oft etwas tiefer anbot, den Ball erhielt und dann diagonal Richtung Herthator dribbeln konnte, weil Götze gleichzeitig Stark nach außen zog. Durch diese Dribblings entstand letztlich aber auch kaum Gefahr.
Wenn Hertha den Ball gewinnen und sich aus dem Dortmunder Gegenpressing lösen konnte, versuchte an die schnell aufrückenden Flügelspieler einzubinden, hier vor allem der sehr linear startende Esswein. Dabei gab es einige Male Räume neben der Dortmunder Dreierkette, die man zwar attackieren konnte, aus denen man es aber nicht mehr schaffte, den Ball zum Tor zu bringen.
Auch aus dem etwas ruhigeren Aufbau heraus konnte Hertha sich keine Torchancen erspielen, oft mussten Langkamp und Brooks schon früh zu Jarstein zurückspielen, der den Ball dann lang nach vorne schlug. Die Kombination aus den frühen langen Bällen der Hertha und der Hektik, die sich oftmals in Dortmunds Aufbauspiel zeigte, entstand alles in allem ein intensives Spiel ohne wirkliche Torchancen für eine der beiden Seiten.
Umso überrraschender kam dann auch die plötzliche Führung der Hertha kurz nach dem Seitenwechsel, als Ibisevic mal wieder seine Klasse im Behaupten und Weiterleiten von Bällen zeigte und Stocker per Hacke das 1:0 auflegte. Danach tat sich erstmal nicht viel, bis schließlich Ousmane Dembele und Shinji Kagawa für Rode und Götze eingewechselt wurden. Die beiden neuen Kräfte bildeten nun eine Art Doppelacht vor Weigl und bewegten sich deutlich freier als ihre Vorgänger. So rückten sie manchmal bis an die letzte Linie auf, um sich den Ball in anderen Szenen auf Höhe von Weigl abzuholen. Dadurch musste Herthas Doppelacht ständig auf seine Umgebung achten und konnte die Gegenspieler nicht mehr so leicht verfolgen wie im ersten Durchgang. Letztlich ergaben sich dann auch zwangsläufig einige Lücken, die dann auch mal von Aubameyang besetzt wurden und dem Spiel einen gänzlich anderen Rhythmus gaben. Auch die ersten Chancen ließen nicht lange auf sich warten. Am Ende ist es wohl auch Aubameyangs Chancenverwertung zu verdanken, dass Hertha einen Punkt mitnehmen konnte, auch wenn Dortmund kurzzeitig in Unterzahl war.
Fazit: Mit einem guten Matchplan und dem nötigen glück schafft es Hertha, den favorisierten Dortmundern einen Punkt abzunehmen. Wieder einmal sehr überzeugend war die Gegneranpassung, bei der Dardai und Widmayer diese Saison schon ein paarmal ein gutes Händchen bewiesen haben.