Nach zwei Niederlagen gegen Leipzig und Bremen schaffte es Hertha vor der Winterpause gegen den SV Darmstadt nochmal zu gewinnen. Wie so oft die letzten Wochen taten sich Pal Dardais Jungs aber auch dieses Mal zu Beginn damit schwer, aus dem geordneten Spielaufbau zu Chancen zu kommen.
Grundsätzlich setzte Dardai wieder auf das altbekannte 4-2-3-1 mit Skjelbred, Lustenberger und Darida als Herz des Teams. Zusammen mit den Innenverteidigern sollen die drei den Ball hinter die ersten gegnerischen Linien nach vorne bringen. Dafür gibt es viele sehr flexible Bewegungen, auf klare positionelle Strukturen wird im Mittelfeldzentrum eher verzichtet. Vor allem gegen mannorientierte Gegner funktioniert das sehr gut, da die vielen Rochaden den Gegnern laufend neue Referenzpunkte liefern, an die man sich kaum über einen längeren Zeitpunkt gut anpassen kann. Gegen weniger mannorientierte Teams sind die Rochaden in ihrer raumöffnenden Funktion weitaus weniger effektiv, da das andere Team sich nicht immer an den umherlaufenden Herthanern orientiert, sondern den Raum oder die eigene Position als wichtiger für die Orientierung ansieht. Stattdessen wird nur in speziellen Fällen kurz manngedeckt, oft um eine gerade offensichtliche Option zum Raumgewinn zuzustellen.
Das Problem für Hertha ist in solchen Fällen, dass sie, sofern man die Rochaden beibehalten will, aus diesen Rochaden Staffelungen herstellen muss, die zu gefährlichen Chancen führen. Nun sind die angesprochenen Rochaden diese Saison aber noch lange nicht so ausgeprägt und auch ausgereift wie sie es mal waren, an ihrer Stelle hat Hertha jetzt eine etwas statischere und klarere Struktur, die aber dazu führt, dass die Mannschaftsteile oft unverbunden sind. Die letzten Wochen haben wir schon ein paar Grafiken in diese Richtung erstellt, die 3-1-6-artige Staffelungen zeigen. Gegen Darmstadt war das nicht ganz so schlimm, Hertha konnte viele bessere Szenen herstellen, an sich waren die Probleme aber noch dieselben.
Mit einem oft abkippenden Lustenberger und Skjelbred versuchte Hertha, den Innenverteidigern Raum für einen Vertikalpass zu öffnen. Gegen Darmstadts 4-4-2 gab es eine Berliner Überzahl in den ersten Aufbaumomenten, durch die oft Stark dann etwas Platz zum Aufbauen bekam. Dabei kam ihm die Tatsache, dass Darmstadt auf dem Flügel und mannorientiert unterwegs war, zu Gute, da er dann oft noch etwas aufrücken konnte. Sonst öffnete sich auch oft der Passweg zu Kalou, welcher aber in vielen Situationen kaum unterstützt wurde. Da er den Ball oft in einem Moment erhielt, in dem er sich vom gegnerischen Tor wegbewegte, musste er dann noch weiter in diese Richtung fortlaufen und zu einem der hinteren Akteure zurückspielen. Immerhin konnte er in einigen Szenen doch ganz gut mit Plattenhardt kombinieren, der einen sehr guten Tag hatte. So gab es dann auch ein paar Durchbrüche über links, die aber zu keinem Tor führten.
Über die rechte Seite ging dafür fast gar nichts. Hegeler konnte deutlich seltener als Stark andribbeln, Stocker verschwand dabei im Deckungsschatten des Darmstädter Mittelfeldes und Pekarik hat schlichtweg nicht die Klasse von Plattenhardt, der auch unter Bedrängnis den Ball noch in den Zwischenlinienraum verlängern kann. So spielte Hegeler den Ball oft wieder zu Stark oder einem der beiden Sechser. Die beiden defensiven Mittelfeldspieler waren allerdings auch darauf beschränkt, einen der Innenverteidiger freizuspielen. Erhielten sie mal im Sechserraum den Ball, dann ging der auch sofort wieder zurück zum ersten Passspieler. Teilweise war das auch nicht anders möglich, da die Schnittstelle zwischen den beiden Darmstädter Stürmern von Lustenberger und Skjelbred so besetzt wurde, dass sie eigentlich keine Ambitionen hatten, aufzudrehen und das Zentrum zu bespielen, meistens waren sie nämlich gerade dabei zurückzufallen und nahmen den Ball dann in Richtung eigenes Tor mit. Das ist vor allem dann schade, wenn man bedenkt, dass die Darmstädter Stürmer kaum rückwärtspressten und das Mittelfeld auch eher zögerlich herausrückte. Ohne Ball wurden Herthas Sechser so oder so nicht verfolgt, höchstens mal kurz von einem der Sechser in den Deckungsschatten genommen. Allerdings waren auch Lustenbergers Bewegungen nicht wirklich gut, viele Optionen machte er durch eine schlechte Positionierung zu Nichte.
Chancen ergaben sich für Hertha im ersten Durchgang meistens aus hektischen Situationen, wenn Kalou oder Stocker mal aufdrehen konnten und zusammen durchbrachen. In solchen Szenen zeigte Darida aber auch viele schlechte Entscheidungen, die Hertha um eine gute Szene brachten. Bei Stocker fehlte außerdem zweimal etwas die Präzision bei der Ballannahme, durch die er die Chance auf zwei hochklassige Abschlüsse vergab. Neben den eher hektischen Szenen gab es in der ersten Halbzeit auch etwas Gefahr bei Standardsituationen, die später dann das Spiel entschieden.
Auf der Darmstädter Seite gab es auch keine Großchancen zu vermelden. Das lag hauptsächlich daran, dass man es nicht schaffte, das nicht wirkliche starke Berliner Gegenpressing zu umspielen. In vielen Szenen ging es aber auch weniger ums Schaffen, als vielmehr ums Wollen. Gefährliche Konter nach Befreiungsschlägen zu fahren ist ziemlich schwierig. Außerdem konnte sich Ramon Berndroths Team kaum wirklich vielversprechende Ballverluste erarbeiten. Zwar schafften die Lilien es bei kurzen Phasen höheren Pressings, Hertha mächtig unter Druck zu setzen, rückte dabei aber nicht konsequent genug nach und erzeugte diese Szenen auch insgesamt nur sehr selten. Aus dem 4-4-2-Mittelfeldpressing wurde kaum Druck ausgeübt, vereinzelte Pressingversuche von Schipplock wirkten auch eher individuell und improvisiert.
Das tiefe Ballbesitzspiel von Darmstadt war dafür sehr ordentlich: Die beiden Sechser Vrancic und Gondorf waren sehr beweglich und konnten die Viererkette so unterstützen, dass ein erstes Aufrücken gegen Herthas Mittelfeldpressing, das einmal mehr nicht so intensiv und kompakt wie Mitte der Hinrunde war, sehr gut möglich war. Nach diesen ersten Vorstößen fehlten aber die Verbindungen für weitere Aktionen. Vereinzelt gab es mal verrückte Bewegungen der Flügelspieler, die zwar nicht optimal, aber irgendwie doch passend waren, mehr aber auch nicht. So blieb es dann bei langen Bällen oder schnellen Angriffe den Flügel runter, durch die eigentlich nur eine Chance entstand.
Da aber weder Darmstadt noch Hertha wirklich konstant Chancen hatten, sah es zur Halbzeit noch nach einem klassischen Unentschieden aus, wenngleich Hertha zum Ende des ersten Durchgangs hin nochmal etwas besser wurde, die Chancen entstanden aber weiterhin eher durch Zufall.
Nach der Halbzeitpause zeigte sich die Hertha dann stark verbessert: Die Bewegungen waren flexibler und erzeugten deutlich bessere Strukturen, die auch die einzelnen Akteure besser einbanden. Skjelbred war nun dauerhaft zentral im Sechserraum positioniert, von dort aus gelangte Hertha deutlich konstanter ins Mittelfeldzentrum. Der Norweger zeigte einmal mehr eine sehr gute Entscheidungsfindung im Passspiel, wobei er sich ein bisschen zu oft auf den Flügel festlegte, anstatt die Halbräume anzusteuern. Dort gab es jetzt mehr Präsenz, gerade Kalou ließ sich oft fallen, während Plattenhardt Sirigu wegzog, was Kalou den kompletten Halbraum öffnete. Wie erwähnt wurde das nicht immer, aber doch deutlich häufiger genutzt.
Aus dem Zehnerraum fiel jetzt auch Darida häufiger zurück und Lustenberger passte seine Bewegungen besser an seine Umgebung an. Zusammen mit den Flügelstürmern ergaben sich so einige sehr schöne Staffelungen mit viel Präsenz in den Verbindungsräumen statt an der letzten Linie. Vrancic und Gondorf waren damit zunehmend überfordert, waren sie doch die einzigen beiden Darmstädter im Zentrum, immerhin pressten die Stürmer kaum mal rückwärts, die Flügelspieler rückten nicht ein und die Abwehrspieler kaum mal raus. Hertha kam deswegen an Rosenthal und Schipplock, später Ben-Hatira, vorbei oder direkt durch sie hindurch ins Zentrum. Auch für die Außenverteidiger war es ein Leichtes, den Ball in den nahen Halbraum zu passen. In vielen Szenen war es dort Skjelbred, der zwischen Mittelfeld und Sturm der Lilien freistand, oder Darida, der durch sehr weiträumige Bewegungen Überzahl herstellte.
Gleich zu Beginn der durch die Veränderungen entstandenen Druckphase fiel das 1:0 durch einen wunderschönen Freistoß von Plattenhardt, der genauso wie Pekarik auf der anderen Seite nun auch leichter seinen Flügel entlang spielen konnte, weil Hertha auch in diesen Szenen Überzahl hatte. Die Gäste taten sich dann auch noch schwerer, vor das Berliner Tor zu kommen. Durch einige Umstellungen für mehr Präsenz ganz vorne wurde Darmstadts Aufbau auch deutlich leichter zu pressen, irgendwann pendelte Vrancic einfach nur noch im Alleingang vor der Darmstädter Abwehr hin und her, ohne jedoch irgendwie helfen zu können.
Das erleichterte es Hertha dann noch, das Mittelfeld zu überbrücken und schnell nach vorne zu kommen, für die spät eingewechselten Allagui und Esswein bedeutete das nochmal Chancen. Das zwischenzeitlich erneut durch einen Freistoß, dieses Mal aber indirekt, erzielte 2:0 war dann letztlich der Endstand.
Fazit: Der Pflichtsieg und vor allem die zweite Halbzeit der Hertha waren der versöhnliche Abschluss eines tollen Jahres 2016, das der Hauptstadtklub auf dem 3. Platz beendet. Die Vorstellung im zweiten Durchgang macht auch Vorfreude auf das nächste Jahr, wobei wohl kein Gegner das Berliner Spiel so einfach durchlaufen lässt.