Sein Name: Sandro Wagner. Seine Position: Mittelpunkt seiner eigenen Welt. Seine Berufung: offiziell möglichst viele Tore zu schießen, inoffiziell möglichst häufig zu betonen, wie geil er ist.
Doch wie entstand der Mythos rund um den kinnbärtigen 1,94m-Hünen aus München? Hier ein Versuch, den Weg des besten Stürmers Deutschlands nachzuzeichnen.
Schon mit drei Jahren begann Klein-Sandro mit dem Fußball spielen. Die Vereinstreue, die ihn während seiner gesamten Laufbahn auszeichnete, wurde schon durch den Namen seines ersten Clubs geprägt: für den FC Hertha München streifte sich der 36-Monate alte Bomber sein erstes Trikot über. Vermutlich entstand aufgrund dieses Vereins-Namens die Identitätsstörung, für die wir Wagner heute so lieben. Vielleicht ist der FC Hertha München aber auch daran schuld, dass Sandro zur Wanderhure des deutschen Vereinsfußballs wurde: 1995 wechselten unter anderem drei Spieler in die Jugendmannschaft des FC Bayern Münchens, die vollkommen individuelle Wege gingen. Ein sogenannter Philipp Lahm setzte sich aufgrund seiner angsteinflößenden Größe in der Jugendakademie des FCB durch, Sandro Wagner überredete einfach jeden, dass er seit längerer Zeit der beste Stürmer Münchens war, und ausschließlich aufgrund seiner fußballerischen Fähigkeiten konnte sich nur Georg Niedermeier beim Rekordmeister beweisen und eine Karriere keinesgleichen hinlegen. Nach 13 Jahren entschied sich Sandro jedoch den FC Bayern zu verlassen. Erfolgstrainer Jürgen Klinsmann setzte in der Saison 2008/09 auf namenlose Nebenfiguren wie Luca Toni und Miroslav Klose, gab nichtskönnerischen Pseudo-Talenten wie Thomas Müller die Chance auf Einsätze. Das ließ ein Sandro Wagner nicht länger über sich ergehen, wechselte für die Rekord-Ablösesumme von 150.000€ zum MSV Duisburg. Es folgten Jahre der wilden Obdachlosigkeit: nach zwei Jahren in Duisburg folgte der Wechsel zu Werder Bremen, die den spitzzünglichen Sportler jedoch nur sechs Monate ertrugen, bevor sie ihn nach Kaiserslautern verliehen, die das Wechselspiel auf die Spitze trieben und Mr. Ichbindergeilste nach 20 Tagen (480 Stunden; 28.800 Minuten; 1.728.000 Sekunden; 19 mal schlafen) zurück nach Bremen schickten. Die gestatteten ihm die direkte Durchreise nach Berlin, wo man nun drei Jahre mit dem zügellosen Ziegenbart-Träger auskommen musste, da man den schwarzen Peter zog und aufgrund immenser Kaufkraft 250.000€ für Wagner ausgab. Kurze Zwischenbilanz: Nicht jeder schafft es, seinen Marktwert innerhalb von sieben Jahren um ganze 100.000€ aufzustocken. Sowas passiert nur durch gnadenlose Qualität, ansonsten ist an solche Summen in der heutigen Fußball-Welt nicht zu denken…in der 4.Liga…in den indischen Slums.
Doch was dann folgte, glich einem Aufstieg des berühmt berüchtigten Phönix aus der Asche. Nach drei Jahren in der Trainingsgruppe B, die ausschließlich aus Sandro Wagner bestand und die Übung fokussierte auf ein leeres Tor zu schießen, wechselte er zu einem Weltclub, der eines Sandro Wagners endlich mal würdig war: der SV Darmstadt 98. Mit der Last auf den Schultern, den inoffiziellen Sexiest Man Alive Dominick Stroh-Engel zu ersetzen, knallte der selbsternannte Jahrhundert-Bomber Bude um Bude in der Saison 2015/16. Der Druck wurde sein bester Freund, er ballerte Tore wie Stroh-Engel und ließ sich seinen Bart wachsen, um Marco „Toni“ Sailer vergessen zu machen. Zum ersten mal in der Karriere des hochgelobten Talents, das mittlerweile 28 war, lief es rund. Ein Club glaubte an ihn, eine Stadt liebte ihn, eine Team stand hinter ihm. Sandro Wagner zog die logische Konsequenz und wechselte schnellstmöglich den Verein. Ein Ticket nach Hoffenheim bitte.
Man mag es kaum glauben, aber in Sinsheim reifte die 194cm große Identitätsstörung zum Nationalspieler, was wohl mehr an seinem großartigen Trainer und weniger an seinen überschaulichen Qualitäten lag. Im Endeffekt hatte sich dann auch Bundes-Jogi von der deutschen Zlatan-Ibrahimovic-Ausgabe einschüchtern lassen und ihn mit zum Confed-Cup genommen. Im Vorfeld glänzte er gegen San Marino sogar mit einem Dreierpack, was allerdings genauso zu werten ist, als würde Philipp Lahm einem Kleinkind die Bonbons klauen: es ist zwar irgendwie auf Augenhöhe aber kein fairer Wettkampf.
Nunja, bleibt zu hofffen, dass man sich beim DFB um die Verantwortung bewusst ist, einen Sandro in den eigenen vier Wänden zu halten, jedoch könnte es aber in den momentanen Zeiten auch klug gewählte Taktik sein, den Bomber auf die Weltmeisterschaften in Russland und Katar vorzubereiten. Man kann nur vermuten, was Löw, Biebe…ehmm Schneider und Co. dazu getrieben hat, die Vereinslegende Hertha Münchens zu nominieren, wir werden die Entwicklung hingegen äußerst genau beobachten.
Bei Abschluss dieses Artikels spielte Wagner immer noch in Hoffenheim, wir bitten es zu entschuldigen, wenn er sich spontan überlegen sollte, den nächsten Schritt zu gehen. Denn im Moment läuft es mal wieder richtig gut für ihn, und wir wissen ja, wohin das seinerseits führt. Fakt bleibt jedoch: Momentan macht Sandro Wagner neben seinen Toren auch durch interessante Stellungnahmen und leicht brutale Herangehensweisen in den Bundesliga- und Länderspielen auf sich aufmerksam. Frei nach dem Motto: Hauptsache Fame.
Unsere Prognose: Sando Wagner wird mit 40 seine Karriere beenden, weil es seiner Meinung nach eine Frechheit wäre, den Fußball-Liebhabern sein Können vorzuenthalten. Er wird in den verbleibenden elf Jahren noch 63 mal den Verein wechseln und dabei zwei Tore schießen. Mit 43 wird er, ganz im Stile eines „Icke“ Häßlers, in das Dschungelcamp einziehen und die Massen durch seine unglaublich sympathische Art begeistern. Eben genauso, wie heutzutage.